39 Monate City Plaza, Athen: Ein Kreis schließt sich, ein neuer beginnt.
Dieser Text zur Schließung des City Plaza erreicht uns aus Athen.
(der Text auf Griechisch http://solidarity2refugees.gr/39-mines-city-plaza-olokliro…/)
Am 10. Juli 2019 wurden die Schlüssel des besetzten Hotels City Plaza an die früheren Beschäftigten des Hotels, denen die Inneneinrichtung gehört, zurückgegeben. Alle Geflüchteten, die im City Plaza lebten, sind in sichere Unterkünfte innerhalb der Stadt umgezogen.
Am 22. April 2016 besetzte die Solidaritätsinitiative für Wirtschafts- und Politische Flüchtlinge das leerstehende Gebäude des Hotels City Plaza mit einem doppelten Ziel: die Schaffung eines sicheren und menschenwürdigen Ortes im Zentrum der Stadt zum einen zur Unterbringung von Geflüchteten, zum anderen zur Organisierung des Kampfes gegen Rassismus, Grenzen und soziale Ausgrenzung, für Bewegungsfreiheit und das Recht zu bleiben.
Die Entscheidung für die Besetzung erfolgte in einem bestimmten zeitlich-politischen Zusammenhang. Am 18. März 2016, einen Monat bevor das Gebäude besetzt wurde, wurde das EU-Türkei-Abkommen zur Beschränkung der Fluchtbewegungen nach Europa unterschrieben. Dieses Abkommen markiert das Ende des „Sommers der Migration“ – des Zeitraums, der im Juli 2015 begann, als unter dem Druck von ungefähr einer Millionen Menschen Europas Grenzen „geöffnet“ wurden. Es war der Deal, der die ägäischen Inseln in spezielle Gefängnisse für Geflüchtete verwandelte und das kontinentale Griechenland zu einem Ort der Einschließung für über 60.000 Menschen machte. Die Syriza-Anel-Regierung übernahm, nach ihrer Unterwerfung unter das neoliberale Management der Wirtschaftskrise, die Umsetzung einer Politik der Kontrolle, Abschreckung und Eindämmung der Einwanderung; mit Patrouillen von Frontex und Nato in der Ägäis, mit Internierungslagern auf den Inseln (wie Moria auf Lesbos), mit Camps in miserablem Zustand, die als die einzigen offiziellen Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete auf dem Festland dienen, mit der Kriminalisierung von Solidarität und der Kämpfe der Geflüchteten. In jener Zeit war das Problem der Unterbringung dringlich. Die Geflüchteten, die in Athen angekommen waren, waren entweder obdachlos oder hatten Unterschlupf in den fürchterlichen Camps von Elliniko, Malakassa oder der Zeltstadt im Hafen von Piräus gefunden, während auf den Straßen und Plätzen der Stadt Hunderte von Menschen in Zelten oder Papphütten schliefen.
In diesem Zusammenhang begann in den Versammlungen der Solidaritätsinitiative für Wirtschafts- und Politische Flüchtlinge eine Diskussion, die zu der Entscheidung führte, das City Plaza Hotel zu besetzen, ein seit sieben Jahren leerstehendes Hotel in der Acharnonstraße. Diese Entscheidung hatte einige Elemente von Voluntarismus und konnte eigentlich durch die Kräfte, über die wir verfügten, und den Zustand der widerständigen Bewegung zu dieser Zeit nicht gerechtfertigt werden. Aber es war ein Schritt, der den politischen Umständen und dem großartigen Kampf der Flüchtlinge entsprach, die in den vergangenen Monaten die Grenzen der Festung Europa geöffnet und das Recht auf Bewegungsfreiheit erlangt hatten. Er entsprach auch der massiven spontanen Bewegung sozialer Solidarität, die sich entlang der Migrationsroute entwickelte.
Das City Plaza als Beispiel für menschenwürdige Unterbringung, Ort praktischer Solidarität und der Zusammenarbeit von Einheimischen und Migrant*innen.
Das City Plaza wurde von Beginn an um zwei Hauptziele herum konzipiert:
- die Schaffung einer sicheren und menschenwürdigen Unterkunft für Migrant*innen im Zentrum der Stadt, einen Ort der Solidarität und Zusammenarbeit zwischen Einheimischen und Migrant*innen - die Funktion als ein Ort des Kampfs, an dem politische und soziale Forderungen von Migrant*innen und Einheimischen miteinander verknüpft werden und sich ergänzen.
City Plaza zeigte praktisch auf, daß die staatliche Politik der „Gastfreundschaft“ gegenüber Geflüchteten durch einen Mix aus Härte, Inkompetenz und politischer Zweckmäßigkeit geprägt ist. Dort, wo die Solidaritätsbewegung es schaffte, ohne Beteiligung von Institutionen, ohne jedwede Finanzierung durch offizielle Stellen, ohne Experten und Angestellte eines der besten Wohnprojekte im Stadtzentrum zu realisieren, fuhr der Staat mit seiner Politik fort, Geflüchtete auf dem Festland in provisorische Camps und Zelten einzupferchen und auf den Inseln mittels eines Systems der Entrechtung, der Internierung der Geflüchteten, in Hot Spots unter permanenter Angst vor Abschiebung unterzubringen.
Dieser Kontrast war das Schlüsselelement, welches von Beginn der Existenz des City Plaza an zu massenhafter Unterstützung durch Aktivist*innen, Organisationen/Kollektiven der Linken und der übrigen Gesellschaft und Einzelner, die zum ersten Mal in der sozialen Bewegung aktiv wurden, führte.
Natürlich blieben aufgrund der Eigentumsverhältnisse am Hotel diverse Attacken angeblicher Linker nicht aus. Sie folgten ganz und gar den Darstellungen der Besitzerin und waren gebunden an die kleinbürgerliche Rhetorik bezüglich des „übergeordneten Rechts auf Eigentum“. Sie gelangten sogar bis zu Diffamierung des Projekts, indem sie Verschwörungstheorien verbreiteten (Behauptungen von Finanzierung durch Soros, SYRIZA, den Deutschen Staat, bis dazu, daß wir mit Drogen und Waffen handelten sowie Kinderhandel und Prostitution betrieben) und so das Kollektiv und die Mitstreiter*innen verleumdeten.
Das City Plaza zeigte praktisch auf, daß Geflüchtete und Einheimische zusammen leben können, wenn statt der Ausgrenzung, der Bestrafung und des Hasses die Solidarität, der Kampf, das Kollektiv Vorrang hat. Im Gegensatz zu den Camps, die sich außerhalb der städtischen Zentren und in desolatem Zustand befinden, war City Plaza in der Lage, in einem bis dato von Neonazis geprägten Stadtteil beispielhafte Beziehungen zu einem großen Teil der Menschen in der Nachbarschaft herzustellen und in der einst dunklen Ecke zwischen Acharnon und Katrivanou ein Merkmal von Sicherheit, die die am unteren Rand der Gesellschaft tatsächlich nötig haben: die Sicherheit eines menschenwürdigen Lebens, der Gemeinschaft, der Solidarität und der Lebendigkeit von Menschen, die selbstlos um ihr tägliches Leben kämpfen.
Zur gleichen Zeit solidarisierten sich Menschen überall auf der Welt und unterstützten das Projekt. Durch ihre tägliche Präsenz, ihre Mitwirkung bei den (Sicherheits-)Schichten, ihre positive Stimmung, aber auch durch die Organisierung einer großangelegten Spendenkampagne zur finanziellen Stützung des Projekts. Unzählige Paletten mit Lebensmitteln und Gegenständen zur Befriedigung des unmittelbaren Bedarfs wurden an das City Plaza geschickt; Tausende von Leuten und Kollektiven spendeten für die Finanzierung des Projekts, das sich zu seinem Erhalt ausschließlich auf solche Spenden stützte.
Gleichzeitig stellte City Plaza eine Art Zentrum des Widerstands dar. Mit dem Ziel der internationalen Anprangerung der flüchtlingsfeindlichen Politik der Syriza-Anel-Regierung und der EU wurden Themen aufgeworfen wie die institutionellen Verantwortlichkeiten für die Schiffbrüche mit ihren Verlusten an Menschenleben, die Versäumnisse und sogar Behinderung der Seenotrettung, die fortdauernde Praxis der illegalen push-backs am Evros und in der Ägäis und die Zustände bei der Internierung in den Hot Spots. Im City Plaza wurden Dutzende von öffentlichen Diskussionen über Themen wie Grenzregime, Rassismus, den Kampf um Rechte veranstaltet, bei denen häufig bekannte Intellektuelle aus der ganzen Welt eingeladen waren, wie Judith Butler, Angela Davis, David Harvey, Alain Badiou, Sandro Mezzadra und andere. Ziel war jedoch nicht nur das Aufzeigen von Fragen, die mit migrantischen Kämpfen zusammenhängen, sondern die Verbindung mit den Kämpfen der Einheimischen. In diesen drei Jahren hat sich der Block des City Plaza beim 1. Mai, der Demonstration am Polytechnikumstag (17. Nov.), bei antifaschistischen und feministischen Demos beteiligt.
Die City-Plaza-Community: Praktiken, Rechte, Kooperationen
Die Antwort auf die Frage, was City Plaza ist, kann jeder der Tausende von Menschen, die das Projekt besuchten, beantworten: Das City Plaza ist die Realisierung einer Auffassung vom alltäglichen Leben, die auf die Emanzipation derer „von unten“ abzielt, auf die Errichtung eines Raums der Freiheit, der praktisch eine Seite der Gesellschaft verwirklicht, wie wir sie uns vorstellen.
In der Art seiner Funktion brachte das City Plaza eine Politik des alltäglichen Lebens zum Ausdruck, die sich im Gegensatz zum Modell der Verwaltung der Migration und insbesondere ihrer „NGOisierung“ befindet. Im Mittelpunkt der freiwilligen Zur-Verfügung-Stellung von Zeit, Kraft und Gefühlen stand nicht die „Bereitstellung von Dienstleistungen“ für „besonders Schutzbedürftige“, sondern der Versuch einer Bekämpfung von Unsicherheit und Angst, die Schaffung und die Verstärkung von Selbstvertrauen und Vertrauen in das Kollektiv. Die Hilfe für die Geflüchteten wurde repolitisiert – sie wurde Solidarität und gemeinsamer Kampf. Vorrang bekamen Elemente der Selbstorganisation, gemeinsamer Verantwortung und Entscheidung, aber auch eine ständige Reflexion der vielfältigen Ungleichheiten, die die Beziehungen innerhalb des Projekts durchdringen: Herkunft, Klassenzugehörigkeit, Geschlecht, Sprache, Bildung usw.
Trotz der inhärenten Widersprüche und Probleme bildete die gemeinsame Erfahrung der Organisation des täglichen Lebens die Grundlage für die Errichtung einer solidarischen und starken Gemeinschaft. In diesem Rahmen und im Gegensatz zu dominanten Viktimisierungsdarstellungen erwiesen sich die Geflüchteten/Migrant*innen als dynamische Persönlichkeiten, die eine aktive Rolle im sozialen und politischen Leben einnehmen.
Das tägliche Leben im City Plaza basierte auf dem Grundsatz der gemeinsamen Teilhabe an der Organisation und kollektiven Entscheidungs- und Umsetzungsverfahren, äußerst komplexen Verfahrensweisen, wenn sie in einer Gemeinschaft von 350 Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen und unterschiedliche ethnische, klassenbezogene, soziale Herkunft und unterschiedliche Pläne für die Zukunft haben, verwirklicht werden. Die regelmäßigen Koordinationstreffen wurden zu dem Ort, an dem horizontal Fragen des Herangehens und der Organisation diskutiert wurden, während die Hausversammlungen – vor allem in der ersten Zeit – eine praktische Lehrstunde darstellten, wie Flüchtlinge und Einheimische miteinander diskutieren, wie sie funktionieren und gemeinsam verwirklichen können und müssen. Die Organisation der Bewohner*innen und der Solidarians in Arbeitsgruppen war ein wesentlicher Bestandteil für die Organisation des Projekts, aber viel mehr noch die notwendige Grundlage für die Entwicklung persönlicher und politischer Beziehungen zwischen uns. Die arbeitenden Gruppen waren: Empfang, Bildung, Kinderbeschäftigung, Arztpraxis, Küche, Sicherheit, Finanzen, Reinigung, Kommunikation und ein selbstverwalteter Frauenbereich.
In den 36 Monaten seines Bestehens waren im City Plaza über 2.500 Migrant*innen aus 13 verschiedenen Ländern untergebracht. In ca. 100 von 126 Zimmern wohnten 350 Migrant*innen, während die anderen 26 entweder als öffentliche Bereiche (Kursräume, Frauenraum, Lagerflächen) dienten oder zur Unterbringung von Solidarians aus aller Welt. Es war schließlich eine politische Entscheidung, daß das City Plaza kein Wohnraum „für“ Flüchtlinge sein sollte, sondern ein Ort des Zusammenlebens und des gemeinsamen Alltags.
Wir werden keine Statistiken über Herkunftsländer, Alter von Geflüchteten oder „besonders schutzbedürftige“ Fälle zur Verfügung stellen. Stattdessen zitieren wir „statistische“ Informationen zu den umfangreichen Ressourcen, die die widerständige Bewegung zu mobilisieren vermochte, um das City Plaza am Leben zu halten:
• 812.250 warme Mahlzeiten wurden vom Küchenteam zubereitet • 74.500 Stunden Arbeitszeit für Sicherheits-Schichten • 28.630 Stunden Schichten an der Rezeption • 5.100 Stunden Sprachunterricht und kreative Beschäftigungsaktivitäten • 69.050 Rollen Toilettenpapier
Das Wichtigste von dem, was geschehen ist, kann jedoch nicht gemessen werden. Es hat zu tun mit menschlichen Beziehungen, mit Gegenseitigkeit und Solidarität, mit Gefühlen und Erfahrungen, mit dem Optimismus, der in gemeinsamem Kampf entsteht.
Das Ende eines Zyklus des Widerstands, der Beginn eines neuen
Die Anforderungen an Ressourcen und Kräften sind bei einem solchen Projekt sehr hoch. Es handelt sich nicht um ein aus politischen Gründen besetztes Haus oder einen Treffpunkt, der einmal für zwei Tage oder im August ohne Probleme geschlossen werden kann. Es ist ein Ort, der tägliches Engagement, Verantwortung und Präsenz erfordert. Außerdem gibt es bei Selbstorganisation, nach unserer Logik, keinen Automatismus. Im Gegenteil, sie bedeutet viele Arbeitsstunden für die Organisation, oft endlose Verfahren zum Herbeiführen gemeinsamer Entscheidung und unzählige Schwierigkeiten. Mit anderen Worten: Selbstorganisation und Solidarität sind keine Theorie. Es ist Handeln hier und jetzt. Eine Praxis voller Widersprüche und Probleme des Lebens. In einer Gesellschaft, in der Autoritarismus, Krieg, Kapitalismus und die Widersprüche zwischen den Unterworfenen die Regel sind und vielfältige Segregationen und Hierarchien aufgrund nationaler Herkunft, Geschlecht und Klassenherkunft uns alle durchdringen, ist Selbstorganisation kein Slogan. Sie ist Kampf.
Leider schwanden, wie es in vielen selbstorganisierten Projekten geschieht, im Laufe der Jahre Begeisterung, Engagement und Beteiligung, vor allem unter so anspruchsvollen Umständen. Die Tatsache, dass der weit überwiegende Anteil der Bewohner des City Plaza sich im Transit befindet, machte es de facto unmöglich, den Betrieb des besetzten Hauses ausschließlich oder in erster Linie in die Hände der Flüchtlinge übergehen zu lassen. Denn die meisten flohen früher oder später weiter nach Europa. Gleichzeitig sind die materiellen für ein Projekt dieser Größenordnung erforderlichen Ressourcen – für Lebensmittel, Toilettenartikel, Medikamente, Erhaltung des Hauses – immer schwieriger aufzubringen, obwohl Solidaritätsgruppen und Genoss*innen in ganz Europa außerordentliches Engagement gezeigt haben.
Ausgehend davon haben wir, kurz bevor zwei Jahre des Betriebs vorüber waren und nach Einladung von Kollektiven und politischen Einheiten, die das Projekt von Beginn des Betriebes unterstützt hatten, eine schwierige und kontroverse Debatte darüber eröffnet, wie lange das Projekt andauern kann oder ob und wie es verändert werden könnte. Wir wollten nicht, dass das Projekt einfach seinen Niedergang nimmt. Wir standen vor der Frage, ob wir in Richtung „Normalisierung / Legalisierung“ der Besetzung gehen oder uns in Richtung Beendigung des Projektes bewegen, gleichzeitig neue Wege suchend, um das inzwischen aufgebaute Leben der Gemeinschaft in einem anderen Rahmen fortzusetzen.
Die erste Alternative wurde als politisch unerwünscht erachtet, da sie mit dem Charakter des City Plaza als politische alternative Praxis zur NGOisierung in Konflikt gerät und dazu führt, die Frage der sicheren Unterbringung von den kollektiven Kämpfen und der Einforderung von Rechten im allgemeinen abzutrennen.
Wir sind zu dem Ergebnis gekommen – obwohl es schwierige Entscheidung war –, dass es für uns die richtige Alternative sei, das City Plaza so zu schließen, wie wir es begonnen hatten: als ein politisches Projekt, bei dem wir das zentrale Element, das es vorbildlich machte, bewahren, d. h. die Organisation von der Basis her, das sichere und menschenwürdige Leben, die Gemeinschaft im Widerstand, die Orientierung auf die soziale Multitude.
In der Hausversammlung am 26. Mai 2018 wurde diese Richtung – nicht ohne Widersprüche und Kontroversen – beschlossen und detaillierte Wege zur Umsetzung einer solchen Entscheidung diskutiert. Von Juni 2018 bis jetzt hat City Plaza keine neuen Bewohner*innen aufgenommen, während gleichzeitig die kollektive Verpflichtung eingegangen wurde, dass das Projekt nicht schließen werde, wenn nicht für alle Bewohner*innen angemessener Wohnraum gefunden würde. Diese Verpflichtung war keineswegs einfach umzusetzen. Die breiteren Bedingungen, der Flüchtlingsfrage zu begegnen – sowohl von Seiten der Syriza-Anel-Regierung als auch von Seiten der NGOs – eröffneten nicht die Möglichkeit, innerhalb der Institutionen Wohnung für die Bewohner*innen zu finden, während andere selbstorganisierte Zentren und Besetzungen nicht in der Lage waren, einer so großen Zahl von Flüchtlingen Unterkunft zu bieten, trotz positiver Unterstützungsbemühungen.
Ein Jahr später und während sich das Projekt im Prozess der Schließung befand, machte im internen Rahmen der Besetzung die erwartete Veränderung der politischen Szene und die Wiederwahl der Nea Dimokratia die Debatte über das Tempo dringlich, mit dem der Prozess zu Ende zu führen sei. Dabei berücksichtigten wir, daß bereits seit Monaten viele Geflüchtete nach und nach in sichere Unterkünfte umgezogen waren. Für das Plaza bestehen zwei staatsanwaltschaftliche Räumungsanordnungen, während hochrangige Funktionäre der Nea Dimokratia tagtäglich die „Verletzung von Privateigentum“ und die „Gesetzlosigkeit“ des City Plaza erwähnten. In diesem Sinne hätte eine Räumung exemplarischen Charakter und für viele der Flüchtlinge, vor allem diejenigen, die nicht über einen stabilen Aufenthaltsstatus verfügen, unverhältnismäßig schwere Folgen haben können (Abschiebung, Internierungslager etc.). Wenn auch für einige von uns Einheimischen eine Räumung durch die Nea Dimokratia ein „heroischer Exodus“ gewesen wäre, für den wir keine politischen Erklärungen hätten abgeben müssen, so wäre doch für die meisten Bewohner*innen des City Plaza ihr ohnehin schon fragiler und instabiler Aufenthaltsstatus gefährdet gewesen.
Daher wurde von uns die Entscheidung, die Schließung zu vollenden, nochmals kollektiv und zu unseren Bedingungen bestätigt. Für alle Flüchtlinge wurde eine sichere Unterkunft gefunden. In den fast anderthalb Jahren zwischen der Entscheidung hinsichtlich der Schließung und ihrer Umsetzung sind die meisten Geflüchteten nach Nordeuropa weiter geflohen. Von denen, die im City Plaza blieben, hatten einige, nachdem sie mittlerweile Arbeit gefunden hatten, die Möglichkeit, selbst Wohnungen zu mieten, während für einige, die eine solche Möglichkeit nicht hatten, kollektive Lösungen gefunden wurden. Durch gemeinsame Treffpunkte, aber auch neue Wohn- und Soliprojekte, die wir bereits begonnen haben, und das unerhört beharrliche Netzwerk fast aller Menschen, die aktiv an dem Projekt beteiligt waren (Flüchtlinge und Solidarians), wird das Kollektiv auch über die Schließung des Gebäudes City Plaza weiterbestehen.
Die Schließung des City Plaza hängt mit der mangelnden Fähigkeit der breiteren Widerstandsbewegung zusammen, wirksame Formen der Organisation, Mobilisierung und Diskurses betreffend die Flüchtlingsfrage zu entwickeln, die den aktuellen Ansprüchen gerecht werden. Es ist eine Tatsache, dass große Teile der weiteren widerständigen Szene andere Schwerpunkte ihrer Arbeit gewählt haben und daher nicht in der Lage waren, aktiv das Projekt zu unterstützen und/oder entsprechende Projekte zu entwickeln, was unserer ganzen Anstrengung eine neue Dynamik gegeben hätte. Diese Position will nicht Verantwortung abschieben, sondern verweist auf das Projekt als Teil eines breiteren politischen und sozialen Prozesses, der die ideologisch-politische und organisatorische Krise innerhalb der Bewegung widerspiegelt, Probleme, mit denen wir uns in der nächsten Zeit auseinandersetzen müssen.
Das City Plaza war eine unschätzbare politische Erfahrung für jede*n, die/der daran teilgenommen hat. Darüber hinaus war es ein politisches Ereignis mit einer Reichweite, die ein Vielfaches von der beträgt, die die beteiligten Organisationen und Einzelpersonen haben. Ohne jegliche Übertreibung können wir sagen, daß das Projekt CP ein europaweites Symbol war, das den Widerstand gegen das rassistische und repressive EU-Migrationsregime nach der Schließung der Grenzen und dem EU-Türkei-Abkommen in konzentrierter Form widerspiegelte. Desgleichen gab das CP ein starkes Gegenbeispiel in einer Zeit, die geprägt war von Pessimismus und Demobilisierung in der Linken bei gleichzeitiger Stärkung der extremen Rechten.
City Plaza war ein großer Kampf, der, wie alle großen Kämpfe, nicht eindimensional als klarer Sieg oder Niederlage gewertet werden kann. Es ist ein Kapitel der antirassistischen und Migrationskämpfe und gleichzeitig ein bewegungsorientiertes Experiment, eine unerwartete Mischung aus Subjektivitäten, unterschiedlichen Bedürfnissen, soziopolitischen, Geschlechter- und Klassenerfahrungen. Dieses Zusammentreffen braucht wie jede Mischung ein wenig Zeit, um klarer zu werden, um die vielfältigen Erfahrungen sich setzen zu lassen und ihren Rückstand in unserem individuellen und kollektiven Bewusstsein zu hinterlassen. Untergründig läßt dies neue Widerstände, Kämpfe sowie kooperative und solidarische menschliche Beziehungen entstehen – in Athen und in Dutzenden von Städten, in die die Bewohner*innen des City Plaza gelangen, aber auch im alltäglichen Kampf gegen die Brutalität des Rassismus und die Politik der Repression.
Das Kollektiv des City Plaza war sich von Anfang an seiner widersprüchlichen Konstitution bewusst. Die Alternative, die es hervorbrachte, konnte immer nur unvollständig bleiben, abhängig von den Zeitläuften, in die hinein es geboren wurde, und von den subjektiven Möglichkeiten der Bewegung und ihrer Menschen, mit deren Verstand, Herz, Körper. Aber auch begrenzt, wie alle Ansprüche auf Rechte und gleiche Beteiligung, die mit der Herrschaft der kapitalistischen Ausbeutung kollidieren, der Oktroyierung und Reproduktion nationalistischer, rassistischer und Geschlechterhierarchien sowie -trennungen.
Das City Plaza war ein Glied in einer Kette von Kämpfen für die soziale Befreiung. Ein Kampf der besonderen Art, da er beim Kleinen und beim Alltag begann, wie das Essen gekocht und das Gebäude gereinigt wird, bis hin zum Widerstand gegen das Grenzregime und die vielfachen Diskriminierungen. Für uns, die wir am Projekt CP beteiligt waren, war es eine Erfahrung der Neudefinition und Reflexion über politisches Denken und Handeln, über Machtverhältnisse, über das alltägliche Leben, über das Zusammenleben und seine Grenzen, über die Selbstorganisation und ihre Widersprüche. Wir verabschieden uns vom City (unserem Haus) Plaza mit dem Versprechen, diese reiche Erfahrung weiterzugeben, die Wege und Orte des gemeinsamen Kampfes weiter zu bereichern und zu erweitern.